7. Reisebericht Madagaskar 3. – 4. Dezember Ambositra und Antsirabe
Heute ist der erste Advent, aber hier in Madagaskar fehlen natürlich alle Zeichen, die wir so gewohnt sind: Adventskranz, Adventssingen, Lichter etc. Um sieben Uhr ist hier die Sonntagsmesse, die Laudes ist um sechs. Aber schon während der Laudes kommen die Leute, um für die Messe noch einen Platz zu bekommen. Die Kirche ist dann proppe-voll, zur Messe sind extra noch Bänke im Altarraum aufgestellt worden, doch der Platz reich nicht und die Leute stehen draussen am Kirchenportal an. Für die Messe ist ein Priester mit seinem Team verantwortlich, es gibt sowas wie einen Animator (Zeremonienmeister), mehrere Lektoren, etwa 20 Ministranten und Ministrantinnen im Alter von ca. 3 bis 15 Jahre. Die Gesänge werden hier leidenschaftlich gesungen, sozusagen aus vollem Herzen und voller Kehle. Es ist schon ein Erlebnis, hier einen Gottesdienst mitfeiern zu können. Für Madagaskar ist er relativ kurz; nur eineinhalb Stunden.
Nach dem Frühstück zeigt uns die Priorin Mère Jeanne die Reisfelder des Klosters (wenn ein normales Erntejahr ist und sie nicht viele Gäste haben, reicht der selbstangebaute Reis für die Schwestern) und die Farm. Da halten sie Hühner und einige Kühe. Sie haben einen riesigen Klausurgarten, den umrunden wir erst von außen, dann gehen wir hinein. Drinnen viele Obstbäume und auch ein Gemüsegarten, und dann sind da auch die Hasenställe: Etwa 15 Kästen, die übervoll sind mit junge Hasen (wenn man das überschlägt, sind es wohl bestimmt 200 Hasen – das ist Massentierhaltung auf madagassisch).
M. Jeanne erzählt uns, dass sie hier schon mal ein Wasserleitungssystem anlegen wollten. Es war nicht möglich, weil ihnen alles Material mehrfach gestohlen wurde. Auch der Reis wird bisweilen vom Feld gestohlen.
Wir schauen auch einige Teile der Klausur an. Den superschönen Kreuzgang und die Bibliothek. M. Jeanne erzählt, dass das Kloster etwa zur gleichen Zeit gebaut wurde, wie das Kloster in Vanves. Es ist dieselbe Art Architektur (mir gefällt sie sehr). Und die Architektin der beiden Klöster war eine Schwester der Klosters in Frankreich, eine echte Künstlerin. Deswegen sind die Räume fast perfekt auf die klösterlichen Bedürfnisse abgestimmt.
Am frühen Nachmittag treffen wir uns noch mit dem Konvent zu einem Austausch. Wir stellen uns vor: wer wir sind, warum wir hier sind etc. Dann verabschieden wir uns vom Konvent (wir bekommen auch noch den guten Käse, der hier im Kloster hergestellt wird als Abschiedsgeschenk).
Um 16:00 Uhr ist unser neuer Chauffeur angekündigt. Der, mit dem es zunächst vereinbart war, konnte nicht kommen, weil ein Mitarbeiter von ihm verunglückte. So hatte Sr. Raphaeliah in der Nacht einiges zu tun (vor allem zu telefonieren) um einen neuen Chaufeur zu organisieren. Es gelang ihr schließlich und pünktlich war der neue da, allerdings mit einem Kleinwagen. Nach dem ersten Schreck pressten wir zwei große Koffer in der Kofferraum das restliche Gepäck wurde dann auf der Rückbank und vor dem Vordersitz eingeschlichtet. Jetzt waren M. Mirjam und Sr. Rahaeliah so eingepresst, dass wir sie öfters fragen mussten, ob sich noch atmen können. Ich hatte wirklich Angst, dass das ganze nicht viel zu schwer ist, aber der Chauffeur, ein Priester aus Antsirabe, nahm es gelassen, und meinte, wenn er langsam fährt, dann geht das schon. Wir führen dann also die 93 km nach Antsirabe und kamen wirklich (mit viel Gebet) wohlbehalten am Großen Priesterseminar hier an. Hier sind 204 Seminaristen aus fünf Diözesen untergebrachte, die sich auf das Priestertum vorbereiten. Wir aßen zusammen mit den Ausbildungspriestern. Einige sind in Bellemagny gut bekannt, weil sie dort schon einmal oder öfters waren (P. Eric, P. Pascal etc.). So ist es hier ein recht nettes Wiedersehen.
Beim Bettgehen hatten wir nochmal eine große Aufregung. Die Türen schließen hier mit einem ganz speziellen Mechanismus: wenn man drinnen zusperrt, kann man zwar noch hinaus, aber von draussen kann man nicht mehr rein. Zuerst traf es Sr. Raphaeliah: beim Toilettengang (schon im Pyjama) zog sie ihre Zimmertüre zu, und jetzt – o Schreck – konnte sie nicht mehr rein. Telefon, Schlüssel etc. alles drin im Zimmer. Niemand war zu erreichen, alles schon finster im Haus. Wir versuchten inzwischen, Sr. Rapaheliah etwas beizustehen, dann passierte mir in der Aufregung dasselbe – auch ich war ausgesperrt aus meinem Zimmer – wie peinlich, auch im Schlafanzug. Wir bekamen von M. Mirjam ihre zwei Lamba hoany (große madagassische Tücher, die für alles zu gebrauchen sind), die sie geschenkt bekommen hatte, um uns etwas zu „verhüllen“. Zufällig kam P. Eric vorbei und holte Hilfe: die beiden Schwestern des Säkularinstitutes „servantes des sacerdotes“, die hier fürs Haus zuständig sind, kamen, aber sie erklärten uns, dass es hier weder einen Generalschlüssel noch einen Zweitschlüssel gibt. Entsetzen pur. Schließlich kamen drei Seminaristen und versuchten sich zunächst mit unzähligen Schüsseln eines Schlüsselbundes, ob nicht doch einer passt. Das war nicht der Fall. Dann gaben sie sich als Einbrecher: mit langen Messern und viel Geschick schafften sie es schließlich, die Türen aufzubekommen. Ewiges Vergelt’s Gott.
4. Dezember
Gleich am Morgen haben wir ein Gespräch mit Bischof Phillippe von Antsirabe. P. Pascal bringt uns hin. Nach dem Gespräch machen wir mit ihm eine Besichtigungstour durch Antsirabe. Antsirabe wird auch die „Stadt des Wassers“ genannt. Hier gibt es Thermalquellen und so besuchen wir erst das große Thermalbad (seit etwas fünf Jahren ist es nicht mehr in Privatbesitz, sondern in öffentlicher Hand und deshalb sehr heruntergekommen). Dann gibt es in der Nähe auch eine kleine Quelle mit Trinkwasser/Heilwasser und drumherum „Freizeitgelände“. Auch das ziemlich ungepflegt.
Anschließend fahren wir zu einem nahgelegenen See (etwa 5 km außerhalb der Stadt), er heißt „Lac Andraikaiba“. Ein wunderschön gelegener See, mit Verkaufsständen am Ufer. Heute ist es menschenleer hier. Aber an Ostern, sagt uns P. Pascal ist es hier total überlaufen. Bei der Rückfahrt bewundern wir P. Pascal, wie er bei diesen Straßenverhältnissen (riesige Wasserlöcher, Gräben von 50 cm tief quer über die Straße, Schlammansammlungen etc.) so ruhig und gut gelaunt bleiben kann.
Dann besuchen wir gerade noch vor dem Mittagessen eine große Marienwallfahrt hier in Antsirabe, nicht weit vom Grand Seminaire entfernt, das „Sanctuaire de Notre Dame de la Salette“. Eine relativ kleine Wallfahrtskirche, aber in einem kleinen Wäldchen dann ein großer Freiluftaltar, Marienfigur und viele Bänke usw. Bei der großen Hauptwallfahrt sind hier ungefähr fünfzigtausend Gläubige versammelt. Im Wald sind viele kleine „Hocker“ (Holzstämme) verteilt, die die Priester zum Beichthören benutzen.
Nach einem kurzen Mittagessen haben wir gleichen einen Termin bei Bischof Odon von Antananarivo. Er ist hier in Anstirabe in einem „Foyer de Charité“, um den Priestern seiner Diözese zu sein, die hier ihre Jahresxerzitien haben. Dieses „Foyer de Charité“ ist etwas außerhalb der Stadt, ein sehr schön kultiviertes Gelände, mit einigen Gebäuden, großer Gartenanlage mit super schöner Bepflanzung.
Nach dem Bischofsgespräch fahren wird zurück in die Stadt und besichtigen die Kathedrale. Dabei treffen wir auch Bischof Phillippe wieder, der auf einem Platz hinter der Kathedrale mit einigen Priestern Boule spielt. P. Pascal erzählt uns, dass der Bischof das oft macht zwecks Kommunikation und „Familiengefühl“ mit seinen Priestern.
Bei der Rückfahrt zum Grand Seminaire machen wir einen Halt bei den Klarissen, deren Kloster nur etwa 300 m vom Seminar entfernt ist. Wir sollen eigentlich nur kurz reinschauen, aber nach einer etwas längeren Wartezeit ist plötzlich fast der ganz Konvent versammelt, um uns zu begrüßen. Es sind so etwa 20 fast nur junge Schwestern, die sich herzlich freuen, dass wir vorbeischauen und uns vorstellen, bzw. uns gegenseitig kennenlernen. Ihre franziskanische Fröhlichkeit ist direkt ansteckend. Äbtissin Mirjam lässt uns nicht gehen, bevor wir einen kleinen Imbiss eingenommen haben: Joghurt, Kekse, Verveinetee.
Im Grand Seminaire zurück, macht uns P. Pascal noch eine Führung durch einige Unterrichtsräume und Kapellen und durch die Farm des Klosters. Hier werden Kühe, Schweine etc. gehalten. Die Tiere wie auch der Garten werden von den Seminaristen versorgt (da gibt es eine straffe Organisation). Jede Woche schlachten die Seminaristen eine Kuh (das lernen sie hier), die dann von den 204 Kandidaten und ihren Lehrern verspeist wird.