
Heute Morgen kommt überraschend die Schwester von Sr. Marie-Claire mit ihren zwei Töchtern zu uns ans Kloster. Die Schwester und eine ihrer Töchter wohnen auf dem Land und haben jetzt um 9:00 Uhr schon zwei Stunden Weg hinter sich. Die andere Tochter (Nichte von Sr. Marie-Claire) wohnt und arbeitet hier in der Stadt in einem Geschäft. Die Tochter, die noch auf dem Land lebt, steht kurz vor dem Bac und möchte später einmal im Magistrat (= Verwaltung) arbeiten.
Dann bringt uns P. Bosco zu einem berühmten Aussichtspunkt über der Stadt, von dem aus man ganz Fianarantsoa überblicken kann. Wir sehen z.B. auch das Fußballstadion, die großen Schulen und Sporthallen von hier ober sehr gut.
Um 11:00 Uhr sind wir bei der Familie von Sr. Emmanueline zum Essen eingeladen. Er ganze „Clan“ ist da (der Onkel als Familienoberhaupt, die Mutter, die Tante, die Cousine mit Mann und einige Nichten, und natürlich ihre Schwester, mit der wir ja schon ein Gespräch hatten). Sie haben uns ein großartiges Festmahl zelebriert, mit Aperitif und einem reichlichsten Mahl auf einem prächtig gedeckten Tisch. Anschließend wurde natürlich noch getanzt, wie es wohl in Madagaskar üblich ist.
Etwa um Viertel nach drei waren wir wieder „zuhause“ und sozusagen „bratfertig“. Jetzt war Pause angesagt bis zur Vesper.
Bei der Anbetung ist uns in der Kirche durch die offenen Fenster wieder ganz deutlich der Brandgeruch in die Nase gestiegen. Überall hier in der Stadt brennen ja die Feuer: zum Essen kochen, zum Abfall verbrennen, zum Gras roden. Und den ganzen Tag riecht es hier nach Rauch, wenn nicht die Autoabgase noch stärker stinken. Es fahren hier viele alte Lastwagen und Autos, die noch keinen Katalysator haben. Und die Leute atmen die verpestete Luft permanent ein. Das kann nicht gesund sein.
Sonntag, 26. November
Heute war hier bei den Assomptionisten die Sonntagsmesse um 7:00 Uhr. Hier ist es ganz anders als bei uns: man muss früh da sein, um noch einen Platz zu bekommen, viele sind dann gestanden auch noch vor der Tür. Bei den umliegenden Gemeinschaften ist es ebenso. Die Gottesdienste beginnen zu verschiedenen Zeiten, so verteilen sich die Leute… Die Texte und Lieder des GoDi waren Malgasch, die Leute singen inbrünstig und laut alles auswendig, heute mit flotter Klavier- und Trommelbe-gleitung, es ist wirklich mitreißend. Hier sind ja wenige alte Leute, die meisten sind junge Erwachsene, Jugendliche und Kinder.
Die Patres und die Studenten sind heute alle ausgeflogen aufs Land um dort Gottesdienste und Katechesen zu halten. So sind wir beim Frühstück nur eine Handvoll. Wir haben ein interessantes Gespräch über die politische Situation in Madagaskar. Die Regierung regiert hier totalitär wie in einer Diktatur. Die Medien und die ganze Informationspolitik werden manipuliert, wer nicht mitmacht auf der Linie des Präsidenten wird eliminiert (verschwindet irgendwie). Der Präsident ist ein evangelischer Christ, der Ministerpräsident ein Moslem, der sehr viel Einfluss hat und den muslimischen Glauben und die muslimischen Unternehmen sehr unterstützt. Die Regierung drückt auch das Niveau der Schulbildung; es sollen zwar alle zur Schule gehen, aber keine höheren Qualifikationen erreichen („ein dummes Volk lässt sich leichter führen bzw. manipulieren“). Die Intelligenz, die es sich leisten kann, geht ins Ausland, um zu studieren: Das sind auch die Kinder der Politiker, die ja sehr reich sind u.a. auch durch ihre Kooperation mit den ausländischen Investoren. Und falls sie zurückkommen, wollen sie ihren Status wahren und ändern natürlich nichts am „System“. Es ist wirklich so, wie die Bischöfe geschrieben haben: Madagaskar ist ein Land, das ausgebeutet wird und das langsam sozusagen „verblutet“, wie die Bischöfe schrieben, wenn sich die Politik der Regierung nicht ändert. Es wird Land verkauft (an Chinesen, Türken, Pakistani), diese ausländischen Firmen bekommen Aufträge und dadurch Einfluss (die Chinesen bauen Wasserleitungen, Straßen, etc.). Auch von den Bodenschätzen (z.B. Edelsteine wie Saphire…) und den Erzeugnissen der Landwirtschaft (Vanille, Pfeffer, Früchte etc.) hat die einheimische madagassische Bevölkerung nichts. Sie haben nicht das Know-how, die Geräte und die Infrastruktur, um selbst damit Handel zu betreiben und zu Einnahmen zu kommen. Nächstes Jahr sind Präsidentschaftswahlen und schon jetzt ist hier alle Welt sehr gespannt darauf.
Am Nachmittag haben wir ein Gespräch mit Père Martin. Er ist hier der Superior der Assomptio-nisten, er hat in Rom studiert und dort auch im Kanonischen Recht den Doktor gemacht. Nach drei Jahren wird er an die Religiosenkongregation zurückkehren. Wir sprechen mit ihm darüber, was bei unserer Gründung wichtig ist. Er nennt uns drei Punkte: - das wichtigste ist die Spiritualität, dass sie gefestigt und tief ist - das zweite ist die Möglichkeit, Nachwuchs zu rekrutieren (ist sie vorhanden an dem Ort?) - das dritte ist die Effizienz der Mission (hat unser Einsatz, unsere Präsenz wirklich Chancen, Früchte zu tragen?)
Was das „Miteinander“ mit den Benediktinerinnen von Vanves betrifft, nennt er uns vier kirchenrechtlich mögliche Formen des Zusammenschlusses: - die Union: beide Kongregationen geben ihren Namen auf und geben sich einen gemeinsamen neuen - die Kongregation: hat eine gemeinsame Spiritualität, gemeinsame Konstitutionen, verschiedene Häuser - die Föderation: hat verschiedene Klöster mit Unterschieden in der Spiritualität (wie z.B. die Föderation der Benediktinischen Klöster etc.), verschiedene Konstitutionen - die Kollaboration: beide Partner behalten ihrer Identität, ihre Konstitutionen bei, einigen sich aber auf Zusammenarbeit vor Ort, auf bestimmte Projekte, etc.
Père Martin hat schon einige Kongregationen begleitet und beraten, bei Union und bei Trennung von einer Kongregation. Er bietet sich auch uns an, uns jederzeit zur Seite zu stehen, wenn wir Beratung brauchen. Das freut uns natürlich, und wir werden gern darauf zurückkommen.
Insgesamt sagt er uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es ist richtig, sich zuerst einmal umzusehen, die verschiedenen Möglichkeiten, Orte, Personen etc. anzuschauen ; sich dann eine Zeit der Reflexion zu nehmen, und dann eine klare Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung kann auch „nein“ sein, wenn man erkennt: wir haben nicht die Ressourcen.
Gleich im Anschluss daran besuchen wir das interdiözesane „Grand Seminaire“, das gleich nebenan liegt. Es ist das Priesterseminar der neun südlichen Diözesen Madagaskars. (In Tulear ist das Propädeutikum und hier das Priesterseminar). Hier sind zurzeit 184 Studenten, die Ordensleute nicht mitgerechnet. Die meisten Studenten kommen aus den Diözesen Fianarantsoa und Ambositra (aus beiden Diözesen ca.60!). Père Desidere ist der neue Direktor (seit dieser Woche). Er zeigt uns die riesigen Häuser und alle ihre Einrichtungen. Er stammt aus der Diözese Tulear und kennt natürlich unsere Schwestern Sr. Raphaeliah, Sr. Agnes und Sr. Jeromine bestens.
Am 27. November geht unsere Reise weiter nach Manajary, um 8:00 Uhr geht's los und wir werden für die ca. 200 km auf einer superkurvigen Straße ca. 4. Stud. brauchen. Schickt uns die Schutzengel mit!
Herzliche Grüße an alle!


